Zu Besuch bei Romanautor Kevin Junk

von | Jul 5, 2021 | Leben + Arbeiten

Kevin Junk ist Autor und veröffentlichte im März seinen ersten Roman im Querverlag. In Fromme Wölfe entführt er uns ins nächtliche Berlin. Was sich nach eineinhalb Jahren Pandemie mit geschlossenen Clubs fast schon wie die Geschichte einer vergangenen Ära liest, weckt in uns die Sehnsucht nach Clubnächten und nach dem Beat. So sehr, dass es beim Lesen fast schon in den Fingern kribbelt.
Spätestens als wir Kevin beim Tischkauf auf unserer Möbelfläche erspähten, war klar, dass wir euch den Berliner Autor mal genauer vorstellen wollen. Gesagt getan, wir haben ihn und seinen Hund Apollon in Friedrichshain besucht. Und mit ihm über seinen Debütroman, Schreibblockaden, empowernde Podcasts, Astrologie und selbstverständlich auch über seinen Tisch gesprochen.

Modulor zu Besuch bei Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain
Modulor zu Besuch bei Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain

Neben Büchern schreibst Du auch viel für Magazine. Über kulturelle Aneignung der Yoga-Industrie, Queer-Sein im Alter, Happiness Management, aber auch über den Kryptokunstmarkt. Was ist Dein Herzensthema, was bewegt Dich? 

Kevin: In meiner Arbeit, egal ob nun Kundenarbeit oder meinen eigenen Texten, ist mir die Sichtbarmachung von queeren Narrativen wichtig. Für das Standart Magazin, ein Magazin für Kaffeekultur, habe ich einen Artikel über queere Baristas geschrieben. Wenn ich schon die Chance und das Privileg habe zu schreiben, dann will ich das auch nutzen und Dinge sichtbar machen, die in den Medien zu wenig gesehen werden.
Aber es sind auch Themen, die ich persönlich interessant und spannend finde, wie zum Beispiel das ganze Thema Kryptowährung und Kryptokunst. Wenn ich mich in etwas reinnerden kann, dann freut mich das. 

Modulor Hausbesuch: Kevin Kunk liest aus seinem Roman Fromme Wölfe
Modulor Hausbesuch: Kevin Kunk liest aus seinem Roman Fromme Wölfe

Kommen wir zu Deinem Roman. „Fromme Wölfe“ ist eine kleine Hommage an das Berliner Nachtleben. Über so ein Thema zu schreiben während einer Pandemie, hat das viel mit Sehnsucht zu tun?

Es ist spannend, dass Du denkst ich hätte den Roman in der Pandemie geschrieben. Tatsächlich ist der Text viele, viele Jahre vor der Pandemie entstanden. 2013 war die Erstfassung – der Text, was da passiert, das Sentiment der Leute, ihre Einstellungen, die Art und Weise wie der Club funktioniert, wie die Rave Kultur funktioniert, das ist ein wenig auch Sediment von damals. Als ich den Roman während der Pandemie überarbeitet habe, habe ich mich dazu entschlossen, dem Text nochmal ein paar technische Updates zu geben: etwa wie Social Media funktioniert, aber auch was Klamotten und Musik betrifft. Ich wollte den Text in die Gegenwart holen. Dennoch ist der Roman in seiner Grundstruktur zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem ich viel jünger und eine Pandemie überhaupt nicht denkbar war. Während des Winter-Lockdowns ins Lektorat zu gehen, wo nichts möglich war und dann über den Text zu gehen, ja das war schon seltsam. 

Worin liegt oder lag der Reiz für Dich, die Partyszene oder Clubs als Bühne oder Kulisse für Deine Geschichte zu nehmen?

Zu dem Zeitpunkt, als ich den Romanstoff entwickelte, habe ich mich gefragt, was für mich das maximal Gegenwärtige ist. Wo passiert gerade etwas, womit möchte ich mich literarisch beschäftigen? Und da war die Antwort: Clubs. Dort geschieht etwas, das so performativ ist, so krass im Moment: Es gibt eine spirituelle Ebene, eine soziale Ebene, eine politische Ebene, es ist queer. Ganz viel von meinem Leben ist dort passiert, ganz viele Ereignisse, Menschen, Situationen, Beziehungen, Drama, Schönes.

Gleichzeitig ist es so, dass es einen Stream von früherer Literatur gibt, die sich mit Nachtleben beschäftigt. Klaus Manns Der fromme Tanz aus den 20ern etwa, und Dancer from the Dance, das mir in einer Lesung empfohlen wurde und das ich gerade lese. Das ist ein Klassiker aus den USA, es geht um das Nachtleben in den 60ern. Dann gibt es den Film Party Monster, Disco Blood Bath heißt der Roman dazu. In Deutschland aber gibt es eigentlich keinen richtigen queeren Partyroman. Zwar streifen einige das Thema, aber kein Roman findet komplett dort statt und ist wirklich genuin queer. Das hat mir gefehlt. 

Mit welchen drei Adjektiven würdest du dein Buch beschreiben?

Wild, verliebt … und transformativ.

Modulor zu Besuch bei: Romanautor Kevin Junk mit seinem Hund in Friedrichshain
Im Interview mit Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain
Im Interview mit Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain

Du hast eben schon so andeuten lassen, dass Du sehr viel liest. Was ist dein absolutes Lieblingsbuch?

Absolutes Lieblingsbuch – total schwierige Frage, weil ich so viel lese und Lesen für mich so eine große Rolle einnimmt. Und da gibt es so viel. Hm, obwohl ich noch mitten im Buch bin, begeistert mich Dancer from the Dance gerade sehr. Ansonsten ein Buch, das ich immer wieder lese ist eine japanische Gedichtsammlung aus dem 9. Jahrhundert, die heißt Kokin Wakashu. Ich habe Japanologie studiert und das war eines der ersten Themen über das ich eine Hausarbeit schrueb.
Ansonsten versuche ich intersektional zu lesen, das heißt nicht nur cis, weiß und hetero, sondern PoC-Stimmen, queere Texte, trans Narrative.

Welche Podcasts oder auch Bücher empowern Dich?

Es gibt da einen Podcast auf Spotify, der heißt FOMO. Der ist unheimlich angenehm – angenehme Sprache und auch total lustig. Den höre ich tatsächlich jeden Tag. Dann höre ich auch ganz viele Astrologie-Podcasts, weil die mich entspannen und das finde ich auch empowernd. Und du hast gefragt, welche Bücher mich empowern, oder?

Genau.

Gute Frage! Ich find’s, wie gesagt, wichtig, Bücher von Menschen zu lesen, die nicht weiß, nicht cis, nicht heterosexuell sind. Um sich mit den Perspektiven zu beschäftigen, die Menschen in Büchern bringen, die vielleicht andere Unterdrückungserfahrungen oder andere Privilegien-Strukturen haben als ich selbst. Bücher von weißen, heterosexuellen cis Männern zu lesen, das brauche ich gerade nicht.

Im Interview mit Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain

Was bedeutet Astrologie für Dich?

 

Astrologie ist für mich ein Tool zum Verständnis von Lebenszyklen und Entwicklungsprozessen. Zum einen auf persönlicher Ebene, aber eben auch auf einer globalen oder weltlichen Ebene. Und ich habe angefangen, Freund*innen und Menschen, die ich kenne und die offen dafür sind, mir da zu vertrauen, Chart Readings zu geben. Das ist immer eine sehr schöne Form von Austausch. Plus es ist auch gutes Futter für die Arbeit an Romantexten, weil es bei der Psychologisierung von Figuren hilft, wenn man sieht, wie die inneren Prozesse von Leuten funktionieren. Astrologie ist dann ein gutes Tool für mich, um Menschen und Psychologie zu verstehen, aber auch Archetypen und Bilder … da kommt ganz viel zusammen. 

Im Interview mit Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain
Modulor zu Besuch bei Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain

Thema Schreiben & Arbeiten. Wie muss Dein Arbeitsplatz aussehen damit Du gut arbeiten kannst? Was muss ein Tisch können? Was für Utensilien dürfen auf dem Tisch nicht fehlen?

Der Tisch muss groß genug sein, damit ich auch genug Platz habe, um mich wirklich ausbreiten zu können. Ich brauche etwas über dem Tisch, wo ich drauf schauen kann. Mein Tisch steht ja neben dem Balkonfenster, das ist schön, weil so ein bisschen Ausblick habe. Sodass ich vom Bildschirm weggucken und auch ein bisschen in die Ferne gucken kann. Ich habe ein paar Kristalle rumliegen, brauche Platz für meinen Laptop und ich brauche Platz für mein Notizbuch. Ich brauche Krimskrams. Es darf auch ein bisschen messy sein. Da liegen Bücher halbgelesen rum und andere Sachen – ein wenig Unordnung hilft mir.

Hausbesuch: Romanautor Kevin Junke über seinen Y Tisch von Modulor
Y Tisch mit Linoleum-Tischplatte bei Romanautor Kevin Junke

Jetzt musst du uns natürlich ein bisschen über Deinen Tisch erzählen. Warum dieser Tisch, warum die Farbe, warum die Beine?

Also ich habe mich für einen Tisch in dieser Größe entschieden – es ist ja eine relativ kleine Konfiguration – weil ich einen Schreibtisch brauchte, der gut in die kleine Wohnung passt. Und ich wollte etwas, das freundlich ist. Ich habe mal in einer Agentur gearbeitet und hatte einen schwarzen Schreibtisch, das war immer ein Downer daran zu arbeiten. Eine dunkle Tischplatte fand ich schwierig. Ja und dann habe ich diese Farbe gesehen, die irgendwie einfach zum Rest der Wohnung passt, hier ist viel pastellig, grün, blau. Als Sternzeichen Fische habe ich mich damit direkt wohlgefühlt.
Für die Beine fand ich das weißliche Holz als Kontrast spannend und auch, um es ein bisschen minimalistischer zu halten.

Modulor Hausbesuch: Bei Romanautor Kevin Junke

Ich wollte ein Objekt in
der Wohnung haben, das
sich nach Arbeit anfühlt,
aber eben nicht so „Standard-Möbelhausschreibtisch“ ist. Letztendlich ist der Tisch ein Werkzeug für die Arbeit. Wenn ich mich wohlfühle und mich gerne hinsetze, habe ich das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. 

Kevin Junk, Romanautor

Modulor Hausbesuch: Kevin Kunk liest aus seinem Roman Fromme Wölfe
Hausbesuch: Romanautor Kevin Junke über seinen Y Tisch von Modulor
Hausbesuch: Romanautor Kevin Junke über seinen Y Tisch von Modulor

Warum überhaupt Modulor?

Ich habe mich für Modulor entschieden, weil es vom Preissegment her passte. Und weil ich das Gefühl hatte, dass ich selber etwas zusammenstellen kann. Es gibt eine Auswahl und dadurch die Möglichkeit, ein Produkt zu bekommen, das meinem Geschmack entspricht – und ich habe keinen Standardtisch, wie er in jeder Wohnung steht. Gar nicht weil ich unbedingt anders sein wollte, sondern weil der Schreibtisch als kreativer Arbeitsort dann auch meine Handschrift trägt.

Im Interview mit Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain
Im Interview mit Romanautor Kevin Junk in Friedrichshain

Was läuft bei Dir während du arbeitest oder während du schreibst im Hintergrund?

Manchmal höre ich Musik, aber auch nicht immer. Ich habe ein paar Platten zu Hause, manchmal finde ich Platten hören beim Arbeiten ganz angenehm, weil ich die dann selbst umdrehen muss und ich dadurch einen Grund habe, aufzustehen. Ansonsten höre ich relativ viel elektronische Musik, Ambient-Musik, ein bisschen weniger Clubmusik als früher. Aber Musik ist mir auf jeden Fall wichtig!

Welche Dinge unterstützen Deinen Kreativprozess, woraus schöpfst Du Kraft oder Inspiration?

Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass ich nicht die ganze Zeit lang am Schreibtisch sitzen muss, um zu arbeiten. Es geht auch um die Phasen, in denen ich mal nichts mache und meinem Bewusstsein Zeit gebe, Dinge zu verdauen bis die Ideen überhaupt reif sind, entweder zu Text gebracht oder in eine PowerPoint gepackt zu werden. Also es geht auch um die Ruhephasen, die sind ganz wichtig.
Auf jeden Fall darf ich nicht gehetzt sein. Wenn ich mich gehetzt fühle und zu viele Termine habe, wird meine Arbeit schlechter und dann fühle ich mich unwohl. Ich muss mich wohlfühlen, meine Kleidung muss sich gut anfühlen. Und ich will Ruhe haben, wenn ich Ruhe brauche. Aber eben auch mal sozialen Kontakt. Deshalb habe ich zwei Arbeitsplätze, einen zu Hause und einen in einer Bürogemeinschaft. So kann ich immer wechseln, je nachdem ob ich gerade Bock auf Leute habe oder nicht.

Modulor Hausbesuch: Kevin Kunk liest aus seinem Roman Fromme Wölfe
Modulor Hausbesuch: Kevin Kunk liest aus seinem Roman Fromme Wölfe

Kaffee oder Mate zum Arbeiten?

Ein Kaffee morgens, ein Kaffee mittags. Aber nicht zum Arbeiten, eher zum Genuss.

Was tust Du gegen Schreibblockaden? Tipps, Tricks, irgendeine besondere Routine?

Es gibt ja eigentlich zwei Gründe, warum man eine Schreibblockade haben kann. Der eine Grund ist, dass man gar nicht weiß, worüber man schreiben möchte. Da hilft es, sich zu fragen: okay was will ich eigentlich sagen? Hier hilft es vielleicht mit Stichworten zu starten und dann anzubauen, Paragraph für Paragraph zu skizzieren und sich eine Struktur zu überlegen. Die andere Möglichkeit ist, dass ich noch nicht ausreichend darüber nachgedacht habe, was ich eigentlich sagen möchte. Hier kann es helfen, eine Pause zu machen oder sich bisschen Input reinzuholen, nochmal was zum Thema zu lesen oder sich abzulenken. Normalerweise kommen Schreiblockaden, weil der Gedanke noch nicht reif ist. Vielleicht habe ich auch Angst, das zu sagen, was ich sagen möchte oder ich denke, dass ich gar nicht gut genug bin, das jetzt zu wissen. Auch das kann blockieren, deshalb macht es Sinn zurückzutreten um zu sagen: Hey, was ist gerade mein Gefühl dahinter? Habe ich Angst etwas über Kryptowährung zu sagen, weil ich vielleicht nicht genug darüber weiß?

Nur so kann man sich davon befreien.

Y Tisch mit Linoleum-Tischplatte bei Romanautor Kevin Junke
Modulor Hausbesuch: Bei Romanautor Kevin Junke

Wenn dieser Tisch ein*e Protagonist*in aus Fromme Wölfe wäre, wer wäre es?

Ich glaube, dass der Roman neben den Figuren auch viel von der Sprache lebt. Was den Text über die ganzen Figuren aus dem Ensemble zusammenhält, ist die Sprache. Und die Art über Clubs zu sprechen, über Raver zu sprechen ist teilweise sogar kitschig oder übertrieben oder sehr ausgeschmückt – so einen fast schon überbordenden Sound habe ich gesucht, ohne dass es schrill wird. Also wenn der Tisch ein Teil des Romans wäre, dann wäre der Tisch die Sprache des Romans.

Abschlussfrage: Was kommt als nächstes von Dir?
Worauf dürfen wir uns freuen?

Auf jeden Fall kommt erstmal eine Lyriksammlung, die ich herausgebe. Ich habe 12 Autor*innen zusammengesucht, teilweise durch direkte Ansprache aber auch durch einen Open Call. Gerade bin ich dabei, die finale Textauswahl zu machen. Der Band kommt im Herbst im Querverlag heraus, das ist ein schönes Projekt. Das andere ist mein zweiter Roman, den ich gerade schreibe, der schon in den letzten Jahren als Idee und erste Skizzen entstand. Aber wann und wie es damit weitergeht, dazu kann ich noch nichts sagen, aber es wird nicht wieder acht Jahre dauern, wie beim ersten Roman, da bin ich mir sicher.