Zwischen Rennradsport und Sortimentsleitung bei Modulor
Bei Modulor leitet Rainer das Team unserer Sortimentsmanager. Er führt, begleitet und steht bei Entscheidungsfindungen oder Klärungen zur Seite. Dabei vertritt er nicht nur die Interessen von Modulor, sondern wandelt sie mit seinem Team in erreichbare Ziele um. Wenn es um seine eigenen Interessen geht, hat Rainer eine ganz klare Antwort: Rennradfahren. Viel. Oft. Und so weit es geht. Gerne auch mal von Wien bis Barcelona oder durch die Wälder Berlins. Was ihn antreibt und warum Modulor dabei eine nicht unbedeutende Rolle einnimmt, erfährst Du hier.
Saskia: Schön, dass Du etwas Zeit für mich hast. Zu allererst mal die Frage … wie bist Du zu Modulor gekommen?
Rainer: (lacht) Wie lange hast Du eigentlich Zeit?
Keine Sorge. Ich hab Zeit.
Ich bin 1999 nach Berlin gekommen um Produktgestaltung zu studieren. Dreidimensionales Gestalten ist mein Thema. Aber für mich war es immer wichtiger etwas zu gestalten, das auch eine Funktion hat. Ich hab den Studienplatz damals nicht bekommen und bei Modulor als Verkäufer angefangen. Da habe ich relativ schnell mitbekommen, dass es hier etwas anders läuft, als ich es anderswo erfahren habe. Ich hab’s total genossen, mit Kunden im Kontakt zu sein – denn ich habe immer mitbekommen, was sie mit dem Material überhaupt machen wollen. Das hat für mich echt einen neuen Horizont geschaffen. Heute, also 21 Jahre später, bin ich Sortimentsleiter.
Und wie bist Du dann auf das Thema Rennradfahren gekommen?
Vor 10 Jahren habe ich mich, gemeinsam mit einem Coach, mit persönlichen Dingen beschäftigt. Was für mich total spannend war: Körper und Seele sind nicht zu trennen. Und wenn man tiefer gehen möchte, ist der Weg über den Körper der Nachhaltigere. Manche Leute Meditieren. Für mich hat das Fahrradfahren diesen Weg eröffnet. Ich habe gelernt, Emotionen über den Körper zu spüren. Wenn man anfängt zu fahren, sind noch super viele Gedanken da. Irgendwann ist da nichts mehr. Man ist voll im Körper, ohne Gedanken. Ich kann an etwas arbeiten und es bringt mich ein Stück weiter. Es ist ein total gutes Medium, um mich zu spüren. Mit dem Rennradfahren habe ich vor 6, vielleicht 7 Jahren angefangen.
Gibt’s eine Verbindung zwischen dem Thema Fahrradfahren und Modulor?
Ja. Die Kombination aus Modulor und Rad hat mich dazu gebracht, mich mehr mit Dingen auseinanderzusetzen. Wenn’s Probleme am Rad gab, hab ich mich gefragt: Was mache und brauche ich eigentlich? Parallel dazu gab es letztes Jahr die Klimadebatte und jetzt das Thema Corona. Da denke ich für mich nochmal über folgendes nach: Brauche ich das wirklich? Und muss es immer etwas Neues sein? Reicht mir die Funktion, oder brauche ich unbedingt einen Markenhersteller? Letztes Jahr habe ich intensiv angefangen, mit Materialen von Modulor an meinem Rad zu arbeiten.
Was denn so?
Zum Beispiel mit Reflex-Tape. Damit das Rad reflektiert, wenn Du bei Wind und Wetter fährst. Und auch ein großes Thema sind Mikrovibrationen. Wenn Du mit Gepäck bei unterschiedlichsten Witterungsbedingung fährst, fängt auf meinem Carbon-Rahmen alles an zu reiben. Also habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich meinen Rahmen schützen kann. Dafür verwende ich zum Beispiel Tapes. Aus Zellgummi habe ich mal eine Yogamatte gemacht. Und mein Lenkerband aufgepolstert. Das finde ich insgesamt einfach spannend. Ich bin bei Modulor, schaue, was es so gibt und überlege dann, wofür ich es verwenden oder zweckentfremden kann. Das ist für Modulor eine spannende Entwicklung, bei der ich mir wünsche, dass wir zukünftig stärker in die Richtung gehen einerseits offenes Material zu verkaufen, aber andererseits dem Kunden auch etwas an die Hand zu geben, wo man sagt „ok, das kannst Du daraus machen“, aber wenn Du Dich damit auseinandersetzt, fallen dir noch viele andere Dinge ein.
Apropos Mikrovibration und lange Strecken. Letztes Jahr hast Du an einem Rennen teilgenommen und bist von Wien nach Barcelona geradelt – quer durch die Alpen. Fährt man einfach Stunden am Tag durch? Was ist mit essen, schlafen? Und hat man nicht einen riesengroßen Verschleiß?
Der Planungsaufwand ist extrem groß. Bei diesem Format muss jeder seine Tour selber planen. Insgesamt fährst Du 2.100 Kilometer. Der Start, das Ziel und Kontrollpunkte, die Du abfahren musst, sind vorgegeben. Wie Du dahin kommst … natürlich mit dem Rad, aber welche Strecke du wählst, ist komplett Dir überlassen. Gleichzeitig planst du dein ganzes Equipment. Pennst du drinnen? Pennst du draußen? Du kannst Dir natürlich was kaufen oder ein Hotel buchen, aber dabei darf Dir niemand helfen. Was ich allerdings sehr bedenklich finde ist der Materialverschleiß. Es mündet ganz oft in einer Materialschlacht, weil du an jedem Teil am Rad die optimale Lösung finden willst. Das ist echt irre. Letztendlich muss man taktisch denken und herausfinden, wie viele Stunden am Tag man fahren kann, und wie viele Pausen man braucht. Deswegen mache ich das dieses Jahr auch nicht mit. Ich bin da total in ‘nem Tunnel. Die Uhr tickt. Du rast da durch die schönsten Gegenden der Welt. Du rennst in den Supermarkt oder die Tanke rein, stopfst Dir die ganze Zeit Essen ins Gesicht, weil du am Tag 8000-9000 Kalorien verbrennst. Ich war voll in diesem Renn-Modus. Da hab ich mir irgendwann gedacht: Okay Rainer, was machst du jetzt hier? Ich mach bestimmt irgendwann etwas, das mich herausfordert – aber mit einem anderen Ansatz.
Wenn Du gerade nicht nach Barcelona fährst, wie intensiv fährst Du Rennrad?
In der Woche so 200-300 Kilometer. Ich habe eine Abendrunde, die ist so zwischen 50-70 Kilometer lang, die mach ich zwei Mal in der Woche. Am Wochenende fahre ich längere Strecken. Und was in diesem Rahmen passiert, ist für mich wie ein Miniausschnitt aus dem Leben: Ich bin voller Freude, beschwingt. Dann regnets, ich hab einen Plattfuß, es tut weh und es kommt Gegenwind. Aber dann kommt auch wieder der Moment, in dem es bergauf geht und die Freude wieder da ist.
Gibt es bestimmte Strecken, die Dir extrem viel Spaß machen oder die Du einfach ganz besonders gerne fährst?
Ich fahre super gerne im Grunewald. Das sind 15 Kilometer hin, dort fahre ich dann 20 und nochmal 15 Kilometer zurück. Wenns schnell gehen muss. Was ich auch für mich entdeckt habe: Gravel. Das heißt, dass man abseits der Straßen fährt. Was ich auch für mich entdeckt habe – ich sag mal, diese Kilometer-Schrubberei auf der Straße. Du sitzt auf dem Rad, Du planst die Tour, hast ein Navi dabei. Du musst nicht denken. Du trittst einfach. Das hat etwas hypnotisches.
Kann ich verstehen. Gibt’s auch Leute bei Modulor, mit denen Du ab und zu mal Fahrrad fährst?
Ich bin bei Modulor in einer Gruppe mit Leuten, die echt stramm unterwegs sind. Und ich fahre auch mit Christof. 2017 oder 2018 hab ich für Modulor eine Velotonteilnahme organisiert, also dieses Stadtrennen in Berlin. Es war ziemlich aufwendig zehn Leute zusammenzutrommeln, die bereit und in der Lage waren 60 km Rad zu fahren – und das nicht langsam. Haha.
Saskia: Du planst einen Blog. Magst Du ein bisschen was dazu erzählen?
Der ist mehr oder weniger da. Mir geht’s mit meinen Inhalten darum, einen wirklichen Mehrwert zu bieten. Derjenige, der das anguckt, soll auch was mitnehmen. Mein Wunsch wäre, dass er oder sie sagt “also das hat mich jetzt ein Stück weitergebracht“. Ich wünsche mir andere dazu zu befähigen, in ihrem Leben bewusster Entscheidungen zu treffen.
Vieles was wir machen, ist unbewusst und automatisiert. Das merkt man jetzt auch mit Corona. Man sieht gerade, wie viel einfach nicht funktioniert, obwohl man dachte “ach, das läuft schon irgendwie”. Und da wünsche ich mir, dass Betrachter entscheiden, morgen Dinge anders zu tun. Aber um entscheiden zu können, brauche ich erstmal Bewusstsein. Ich muss raus aus diesem Automatismus. Das bekommt man hin, wenn man sich mit etwas auseinandersetzt. Deswegen ist das Machen für mich ganz wichtig.
Auf was können wir uns auf Deinem Blog freuen?
Im Moment sind vier Kategorien geplant. “Ride a bike” – da geht’s vor allem um Erfahrungen im Radfahren. “Create” – da geht’s ums Machen. Ich drehe Fahrradhacks mit Modulor-Materialien. Das findet vor allem in meiner Werkstatt statt. “Explore” – etwas verwenden, was einem nachhaltig so viel Freude bereitet. Und dann gibt es die Galerie, da gibt es Fotos.
Letzte Frage, bei der es mich persönlich auch brennend interessiert, was andere Leute so denken: Wie sind Deine Gefühle zu der Fahrradsituation in Berlin? Ich habe keinen weiten (Fahrrad-)Weg zur Arbeit, aber dafür auch immer sehr großen Respekt und manchmal wird’s einfach echt brenzlig. Was sind Deine Gedanken dazu? Gibt’s Dinge, die Deiner Meinung nach verbesserungswürdig sind?
Das ist wirklich eine spannende Frage. Ich kann das nachvollziehen, was Du sagst. Eine Freundin von mir hat da auch Schiss. Ich habe damit trotzdem eher weniger Probleme. Letztes Jahr habe ich eine Radtour um den Comersee gemacht, da musste ich durch Tunnel fahren. Da wurde ich hupend von LKWs überholt. In einem unbeleuchteten Tunnel. Aber na ja, da gab’s keinen Weg dran vorbei.
Haha, na gut. Du bist auf jeden Fall anderes gewohnt …
Ich bin da auf jeden Fall schmerzfreier.
Ich merk schon.
Aber ich kann total verstehen, was Du sagst. Ich glaube, dass unser Verkehrskonzept in Berlin und wahrscheinlich vielen anderen Städten, nicht mehr zeitgemäß ist. Dieser Fokus auf Autos und breite Straßen und optimale Möglichkeiten, um mit dem Auto von A nach B zu kommen. Das ist für mich sowas von antiquiert. Ich find’s gut, was hier die letzten zwei Jahre so passiert ist. An der Hasenheide gibt es einen breiten Weg, am Kotti haben sie auch relativ schnell was gemacht. Ich bin total gespannt, ob sie es schaffen, diese zwei Fronten – Auto- und Fahrradfahrer – idealerweise mehr zusammenzubekommen.
Ich finde, das sind zwei so krasse Fronten. Wahnsinn. Und hier in Berlin… Du fährst auf der Straße, dann geht 20 cm neben Dir eine Fahrertür auf, zwei Meter weiter steht ein LKW auf dem Fahrradweg, dann steigt vor Dir ein Fahrradfahrer ab…
Ja… Berlin ist halt einfach ein Zoo.