Material des Monats: 7 Fragen an Finnische Holzpappe
Unsere Reihe „Material des Monats“ setzen wir nach unserem ersten sehr ausführlichen Blick auf Polypropylen mit einem weniger synthetischen Material fort: Finnische Holzpappe (im Weiteren auch schlicht als Finnpappe bezeichnet). Deren Herstellung erfordert keine besonderen chemischen oder physikalischen Kenntnisse. Da reicht einfache Mechanik. Dennoch gibt es sicherlich ein paar Details an Finnpappe, die nicht allen bekannt sind.
1. Wo kommst Du her?
Aus Finnland … wer hätte das gedacht? Im Ernst: Warum die Finnpappe im Namen das skandinavische Land trägt ist nur zu vermuten. Eine gesicherte Herleitung ist jedenfalls nicht zu recherchieren. Da Finnland aber ein Land mit einer sehr großen Holzproduktion ist und endlos erscheinende Flächen mit Wald bewirtschaftet, liegt der Gedanke nah, dass die Finnpappe aus finnischen Nadelhölzern hergestellt wird. Fakt ist, dass die Finnpappe tatsächlich häufig aus finnischen Papiermühlen kommt. Der Name ist aber keine Herkunftsbezeichnung sondern eine Qualitäts-Benennung. Finnpappe kann auch beispielsweise aus Deutschland kommen.
Finnpappe ist eine Maschinenholzpappe. Sie enthält ausschließlich Holzschliff (aus Nadelhölzern), keine Zellulose und kein Papier oder Altpapier. Holzschliff ist gegenüber Zellulose für Pappen oder Kartonagen der wirtschaftlich günstigere Rohstoff, weil die Relation von eingesetztem Rohmaterial (Holz) zu Papierrohstoff (Holzschliff oder Zellulose) sehr günstig ist. Wird Holzschliff hergestellt, können über 90 % des eingesetzten Holzes zur weiteren Papier- oder Pappproduktion verwendet werden. Bei der Zellstoffherstellung liegt hingegen die Ausbeute an erzeugtem Zellstoff durch das Herauslösen des Lignins und des Harzes aus dem Holz bei nur rund 50 % des eingesetzten Holzes.
Nun fragst Du Dich eventuell: Warum wird dann so viel Papier aus Zellulose hergestellt und nicht aus Holzschliff? Wo doch grob gerechnet die Hälfte des eingesetzten Holzes bei der Herstellung von Zellulose auf der Strecke bleibt. Das liegt an der Qualität des erzeugten Produkts. Holzschliff enthält nämlich vor allem noch das Lignin aus dem Holz. Lignin (im Grunde ein natürliches Polymer, das die Holzfasern einbettet und dem Holz die Festigkeit verleiht) lässt Papier leider vergilben. Finnpappe ist also kein archivierbares Material sondern nur für kurzzeitige oder längstens mittelfristige Einsätze geeignet. Je exponierter gegenüber Sonnenlicht die Finnpappe platziert ist, umso schneller vergilbt sie. Das sieht man schnell, wenn eine Finnpappe für ein paar Wochen mit einer Seite zum Fenster gelagert wird. Vergleichst Du dann die beiden Seiten, fällt Dir der Unterschied im Farbton, der beim neuen Produkt noch nicht existierte, deutlich auf.
Vergilbte Finnpappe
Drei Wochen im winterlichen Dezemberlicht Berlins reichten, um das Vergilben zu beschleunigen. Der linke Teil der Finnpappe war abgedeckt und blieb deutlich heller.
Sogar der Klebepunkt-Smiley ist nach so kurzer Zeit klar erkennbar. Das Funktioniert wie beim Bräunen am Strand mit der 50er Sonnencreme …
Ein weiterer Nachteil der Holzschliffproduktion ist der hohe Energieaufwand. Das Schleifen des Holzes erfordert sehr kräftige Motoren. Um einen Schleifstein anzutreiben, werden in Holzschlifffabriken Motoren mit bis zu 16.000 kW Leistung verbaut. Zum Vergleich: Der ICE 3 der Deutschen Bahn, der der schnellste Zug in der Flotte der DB ist, wird mit einer Dauerleistung von 8.000 kW angegeben – also der Hälfte. Daher ist ein Kilogramm Holzschliff bereits vor der weiteren Produktion zu einem Papier oder einer Pappe mit bis zu 3 kWh/kg aufgeladen. Beim aktuellen Strommix in Deutschland entspricht das einer CO2-Produktion von 1,2 kg. Für die Relation zu unserem Material des Monats: Eine Finnpappe (70 x 100 cm) mit 3 mm Stärke wiegt ziemlich genau ein Kilogramm.
2. Was macht Dich aus?
Für eine Pappe ist finnische Holzpappe recht locker, luftig und leicht. Sie ist dennoch stabil, hat eine gute Planlage und ist eben und verzugsfrei. Andererseits ist sie nicht besonders zäh (sie bricht eher als dass sie sich biegen lässt), durch ihre lockere Struktur ist sie aber sehr saugfähig. Bis zur Stärke von 1,5 mm gibt es ungeklebte Finnpappen. Diese haben eine sehr glatte und eine nicht ganz so glatte oder etwas rauere Seite. Da auf Langsiebmaschinen keine höheren Stärken produziert werden können, sind die stärkeren Finnpappen geklebt. Es sind also mehrere dünnere Pappen zu einer dickeren vollflächig aufeinandergeleimt. Das hat den Vorteil, dass dann beide Seiten sehr glatt sind, weil die raueren Seiten aufeinandergeklebt werden. Generell hat Finnpappe haptisch eine etwas flauschig-weiche Anmutung. Das verleiht ihr auch die seidig-matte Erscheinung.
3. Was kannst Du so? Was kannst Du nicht?
Finnpappe lässt sich gut mit dem Cutter schneiden und ist wegen der hohen Saugfähigkeit mit Weißleimen sehr gut und sauber zu kleben. Es eignet sich daher die Finnpappe ausgezeichnet für den Bau von Architekturmodellen. Zu beachten hierbei ist aber der hohe Ligninanteil: Wegen des Bestrebens, schnell zu vergilben, eignet sich die Finnpappe mehr für das schöne Arbeitsmodell als für das Präsentationsmodell, dass noch in zehn Jahren einen guten Eindruck machen soll. Wichtig ist auch, dass sich Finnpappe nicht für die Darstellung gebogener Flächen oder Bauteile eignet. Anstatt sich biegen zu lassen, bleibt die Finnpappe lange steif in der Ebene, um dann stärkeren Biegeversuchen recht plötzlich mit einem Bruch nachzugeben. Aufgrund der Homogenität des Materials und weil es so gut wie keine Verunreinigungen im Material gibt, ist Finnpappe auch gut mittels Lasercutter zu schneiden.
Das Hauptproblem für Finnpappe ist die Zeit. Das in der Pappe enthaltene Lignin vergilbt nicht nur an sich bereits recht schnell, es bildet mittelfristig sogar Abbaustoffe wie Alkohole und Säuren. Diese wiederum zerfressen regelrecht das Papier und lassen es brüchig werden. Darum gilt generell: Je höher der Lignin-Anteil in Papier umso schneller altert es. Daher wird ligninhaltiges Papier auch nur für kurze Nutzungen (z. B. Zeitungen) verwendet. Finnpappe solltest Du also auch immer nur verwenden, wenn das Ergebnis nicht langfristig bestehen bleiben soll.
4. Wofür wirst Du verwendet?
Modellbau mit Finnpappe
Schnell und einfach lassen sich Modelle bauen.
Siebdruckkarton
Leichte und planebene Finnpappe im Kern, zwei glatte und hochweiße Decklagen zum Bedrucken.
Neben dem Architektur-Modellbau (sowohl Gebäudedarstellung als auch Geländedarstellung/Schichtenmodell), wird Finnpappe gerne als Kern bzw. Mittellage von temporären Präsentationsmitteln wie Siebdruckpappe oder Display Boards genutzt. Dafür eignet sich die Finnpappe vor allem wegen ihrer hohen Steifheit, der guten Planlage und dem relativ geringen Gewicht. Durch das Kaschieren beider Seiten mit gut zu bedruckenden dünneren Papier- oder Papplagen wird aus der Finnpappe ein günstiges und dennoch hochwertiges und leistungsfähiges Präsentationsmedium. Beispielsweise werden Werbe- oder Hinweisschilder (für Innenräume) häufig daraus hergestellt. Der Vorteil gegenüber noch leichteren Sandwichplatten mit Schaumkern ist die unproblematische, sortenreine Entsorgung als Altpapier.
Zuweilen wird (beschichtete) Finnpappe auch als Rückwand von Rahmungen oder als Zwischenlage zwischen Bild und Rückwand empfohlen und verwendet. Zu beachten ist bei dieser Verwendung der hohe Lignin-Anteil im Material. Mit anderen Worten: Das ist nicht sinnvoll, wenn das gerahmte Bild von Wert ist oder das Bild lange erhalten bleiben soll.
5. Was kann man mit Dir/ aus Dir machen?
Finnpappe ist mit dem Cutter gut zu schneiden und mit Alleskleber oder Weißleim gut zu kleben. Daher ist sie so beliebt bei Architekturstudenten, denn mit wenigen günstigen Werkzeugen (Schneidematte, Cutter, Schneidelineal) können aus einem erschwinglichen Material Architekturträume oder Arbeitsmodelle entstehen. Auch als Präsentationsboards qualifizieren dieselben Qualitäten das Material. Es ist leicht, günstig und gut zu handhaben.
6. Mal Hand aufs Herz: Wie nachhaltig bist Du?
Finnpappe ist ein vergleichsweise nachhaltiges Material: Es ist zu 100 % aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz. Das Holz wird (anders als bei der Zellstoffherstellung) rein mechanisch ohne Chemikalieneinsatz zu Holzschliff verarbeitet. Vom primär eingesetzten Holz bleibt sehr viel sekundärer Rohstoff (Holzschliff) übrig. Beim Herstellen von Holzschliff wird wie oben dargestellt allerdings recht viel Energie benötigt, da schwere Schleifsteine schnell rotieren müssen, um das Holz zu zerkleinern.
Am Ende des zumeist recht kurzen Lebenszyklus‘ von Finnpappe darf sie aber zusammen mit Altpapier aus Zellulose entsorgt werden. Da das Papierrecycling recht gut ausgebaut ist und auch gegenüber anderen Wertstoffkreisläufen gut funktioniert, lässt sich Finnpappe guten Gewissens den nachhaltigen Materialien zuordnen. Und selbst im schlechtesten Entsorgungsfall, dem wilden Deponieren, ist Finnpappe keine Belastung für die Umwelt sondern verrottet ähnlich wie unbehandeltes Holz.
7. Welches Material ist Dir vielleicht ähnlich oder wird oft als Alternative verwendet?
Eine weitere Holzschliffpappe ist beispielsweise die Bierdeckelpappe, deren Saugfähigkeit genutzt wird, wenn sie als Untersetzer (Bierdeckel) für Gläser und Flaschen zum Einsatz kommt. Im Architekturmodellbau kommt häufig Graupappe als Alternative zu Finnpappe zum Einsatz. Graupappe macht einen raueren und härteren Eindruck als Finnpappe, hat also eine andere Erscheinung in der Materialität und die Assoziation „Beton“ liegt nahe. Wer gerne eine schwarze Pappe für den Modellbau verwenden möchte, sozusagen „schwarze Finnpappe“ sucht, sollte auf Präsentationspappen oder Blackboards ausweichen. Die sind zwar härter und damit schwerer zu schneiden, bieten aber häufig tiefschwarze Oberflächen.